Die Literaturgeschichte ist nicht gerade arm an Reiseberichten, auch Fahrten in die Hölle (und manchmal wieder zurück) finden sich zur Genüge. Der Titel In der Hölle. Blicke in der Abgrund der Welt. verspricht also viel. Dahinter verbirgt sich eine Höllenfahrt der anderen Art, geschrieben von Denis Johnson, einem weit gereisten Exjunkie, der als Sohn eines amerikanischen Offiziers in der Welt herumkam. Darauf folgte ein zurückgezogenes Leben irgendwo in Idaho. Eben jener Denis Johnson gilt – hierzulande eher unbekannt – als einer der wichtigsten amerikanischen Gegenwartsautoren, als wahrer Meister der Kurzprosa und der literarischen Reportage.
In der Hölle erzählt von Johnsons Reisen im Auftrag des „New Yorker“ in die von Bürgerkrieg zerrissenen afrikanischen Länder Liberia und Somalia. Wer sich dabei eine Analyse der Hintergründe dieser Konflikte erwartet, wird enttäuscht werden. Wie der Titel bereits anklingen lässt, geht es um eine Reise in einen Abgrund. Im englischen heißt der Band schlicht Seek, ein Suchen und Ausloten von Grenzbereichen an den Rändern der Gesellschaft. Daraus entstehen unglaublich spannende und von einer surrealen Apokalyptik gezeichnete Reportagen, die in existentiellen Extremsituationen einen kurzen Blick auf die bizarre Realität des Menschen geben. (tj)
Denis Johnson: In der Hölle. Blicke in den Abgrund der Welt. Tropen Verlag, Berlin 2006.
Veröffentlicht in PROGRESS 2/07, S. 29