Die Wahrheit ist so eine Sache und auch schon die Doors sangen: „People are strange when youre a stranger.“ Diese beiden Gemeinplätze treffen sich in Zehn Wahrheiten, einer Sammlung von 16 Stories des amerikanischen Multitalents Miranda July. Die 1974 geborene Künstlerin macht auch Filme (Ich und du und alle, die wir kennen), ist Schauspielerin und nicht zuletzt Schriftstellerin. Also: People are strange. Miranda Julys Erzählwelten sind bevölkert von zerbrechlichen, melancholischen und latent autistischen Figuren auf der Suche nach menschlicher Nähe. Die Stories erzählen von heimlichem Begehren, verdrängter Sexualität, unerfüllter Liebe und Einsamkeit – kurzum von Menschen, die auf ein neues Leben warten. Ein Leben, das doch nie kommt, aber an brüchigen Stellen wild hervorbricht. July erzählt diese Geschichten mit wunderbarer Lakonie und trockenem Humor, ohne ihre (hauptsächlich weiblichen) Figuren je bloßzustellen. Die Stories erzählen in verschiedenen Variationen, dass die Wahrheit im Suchen nach einem Ort der Nähe besteht, einer Nähe die sich vielleicht nur kurz und für einen verwirrenden Moment festhalten lässt. Oder wie es in einer der Geschichte heißt: „Alles, was wir tun, tun wir um anderer Menschen Willen. Weil wir sie leiben. Oder weil wir sie eben nicht lieben.“ Darüber hinaus lassen einen die Stories mit einer eigenartigen Stille allein, in die hinein sich die Frage drängt, ob es einem selbst nicht auch so ergeht. Dieses Moment der existentiellen Unsicherheit steckt in jeder ihrer Erzählungen, weshalb der Konsum in kleinen Dosen zu empfehlen ist. TJ
Veröffentlicht in PROGRESS 4/08