Im Normalfall sind Bücher, die im Verlagstext mit „ö„hnlichkeiten mit lebenden Personen und tatsächlichen Ereignissen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt“ angekündigt werden ja verdächtig. In der Tat erzählt Anette Pehnt in ihrem Roman Mobbing eine Geschichte, wie sie wohl jeden Tag im gleichgeschalteten Büroalltag passiert: Joachim, ein Angestellter einer Stadtverwaltung im besten Alter, wird fristlos entlassen. Die Vorstadtfamilienidylle (Frau, 2 Kinder, Haus im Grünen) bricht jäh ab. Langsam erfahren die LeserInnen, wie es dazu kam. Eine neue Chefin mobbte Joachim systematisch aus seiner Position, die ehemals befreundeten Arbeitskollegen werden zu Spitzeln. Alte Bindungen brechen auseinander, überall begegnet Joachim Misstrauen und Argwohn. Den Grund dafür erfahren die LeserInnen bis zum Schluss nicht.
Büroalltag gibt nun nicht gerade den spannendste Romanstoff her. Anette Pehnt erzählt die Geschichte jedoch höchst raffiniert und baut ihr damit einen doppelten Boden ein. Die Ereignisse werden nicht aus Joachims Sicht geschildert, sondern ausschließlich aus der Sicht seiner (namenlosen) Frau. So kommt nicht nur der Verlust der Arbeitsstelle in den Blick, sondern auch ihre subtilen Auswirkungen auf die Privatheit der Familie. Das Misstrauen zieht sich förmlich in die persönlichen Beziehungen hinein. Die Abgründigkeit Pehnts plätschernder Prosa erschließt sich im oft verwendeten Konjunktiv – in ihm kondensiert die Angst vor der Zukunft, die Ungewissheit und das zaghafte Ausloten von Möglichkeiten der Protagonisten. In Mobbing schildert Pehnt sicher keine progressives Frauen- und Familienbild, sicher aber den ganz normalen Wahnsinn bürgerlicher Normalität. TJ
Veröffentlicht in Progress 1/08, S. 21