In Garagen, in denen junge Technikfreaks bastelten fingen sie an, die Erfolgsgeschichten der IT-Branche. Große Erwartungen waren mit ihnen verbunden, nicht zuletzt auf traumhafte Gewinne. Bis die sprichwörtliche Blase platzte. Was blieb – ein Scherbenhaufen?
Vor 30 Jahren, als Computer so groß wie Kleiderschränke waren und selbst BrancheninsiderInnen über die Idee mit „Heimcomputern“ Geld zu verdienen lachten, hätte niemand erträumt, dass einmal in fast jedem Haushalt ein solcher stehen würde. Mitte der 1990er Jahre, als die Verbreitung des Internets richtig durchstartete, begannen auch die Börsengurus Blut zu lecken – hier war Geschäft zu machen.
Die Idee dahinter: Im postkapitalistischen Zeitalter verliere Warenproduktion ihre Bedeutung, Information sei die Währung der neuen Zeit. Nicht mehr künstliche Verknappung, sondern maximale Verbreitung würde den Wert und Preis der Informationsgüter bestimmen – hängen einmal alle am Netz, entstehe maximaler Nutzen, ergo maximaler Gewinn. Geboren war das Kind, genannt New Economy.
Die Dotcom-Blase. In der Hoffnung auf große Gewinne investierten AnlegerInnen Milliarden in neue IT-Unternehmen. Die Börsenkurse stiegen 1999 sprunghaft an, der NASDAQ Index sprang innerhalb eines Jahres von 2000 auf 5000 Punkte. Im März 2000 brach der Markt zusammen. Das reale Kapital der Unternehmen stand in keinem Verhältnis zu ihrem Börsenwert, zudem waren keine Gewinne in Sicht. GroßanlegerInnen zogen ihr Kapital ab, KleinanlegerInnen verkauften in Panik. Die Kurse brachen ein – allein in der Telekombranche wurden unvorstellbare 3800 Milliarden Dollar vernichtet, 500 000 Menschen verloren ihre Arbeit berichtete Financial Times 2001. Ruinierte KleinanlegerInnen, Schließungen von Unternehmen und massenhafte Entlassungen von ArbeiterInnen waren die Folge. Die Blase war geplatzt.
Was war passiert? Der Glaube elementare Gesetze kapitalistischer ö–konomie außer Kraft setzen zu können war gescheitert. Wie Reinhard Blomert formuliert, war die New Economy „im Kern kriminell […und] brachte wenigen Insidern hohe Gewinne, Millionen von Anlegern dagegen verloren durch das Platzen der Blase ihr Geld, ihre Renten und zwei Millionen Arbeiter und Angestellte ihre Arbeitsplätze.“ Hätte man ein wenig bei Marx nachgelesen, wäre schnell klar geworden, dass Mehrwertschöpfung ohne gleichzeitige Hierarchisierung von Besitzenden und Nichtbesitzenden nicht möglich ist. Die vermeintliche Autonomisierung des arbeitenden Subjekts zur Ich-AG und die Hoffnung auf Gewinnoptimierung für alle wurden zur zynischen Ideologie. Diese Art von „digital-liberalistischer, arroganter und triumphalistischer Weltanschauung […] ging bankrott, weil das Modell eines perfekten freien Marktes eine praktische und theoretische Lüge ist“, so der Autor und Philosoph Franco Berardi. SiegerInnen blieben die MonopolkapitalistInnen, die sich den Markt sicherten und aufteilten – ganz nach den klassischen Grundsätzen der Old Economy. Oder wie Berardi es formuliert: „Der Neoliberalismus brachte seine eigene Negation hervor, und die, die seine am meisten begeisterten UnterstützerInnen waren, wurden seine marginalisierten Opfer.“
Neue Spielräume ? Trotz einer Erholung der Branche – mittlerweile sind in den USA mehr IT-SpezialistInnen angestellt als 2001 – änderte sich ihre Struktur: Gefragt sind hochspezialisierte Fachkräfte, die VerliererInnen der Branche sehen sich immer mehr der Prekärisierung ausgesetzt – im Datenverarbeitungsbereich liegt die Selbstständigenquote bei 50%. Laut WKO liegt der Anteil der Kleinunternehmen in der IT-Branche über 90%, Information und Consulting machen 21,4% der Unternehmensgründungen aus – die Ideologie der Ich-AG lebt. Ob der Optimismus gerechtfertigt ist, dass diese ArbeiterInnen durch die massiven Markteffekte ein neues Proletariat bilden ist fraglich. So bleibt es letzten Endes eine politische Frage, die Situation zu verändern.
Timon Jakli studiert Germanistik und Soziologie in Wien und Konstanz
Weblinks:
http://eipcp.net/transversal/1203/bifo/de
http://www.wired.com/wired/5.09/newrules_pr.html
http://www.bpb.de/files/62G035.pdf
Copyright 2006 by Timon Jakli,
Veröffentlicht in PROGRESS 6/06, S. 22