Hallo !

 

Die Überlegungen der letzten Sitzung zur marxistischen Literaturtheorie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

1) Literatur ist für materialistische Theorie ein Teil des gesellschaftlichen Überbaus, in dem die Konflikte in der materiellen (ökonomischen ?!) Basis sichtbar und ausgetragen werden. Dieses Verhältnis darf man sich weder als einseitig vorstellen (Determination), noch als bloße Abbildung. Literatur ist aber auch vergegenständlichte Arbeit, ein Weg sich die Welt anzueignen (wie Terry Eagleton herausstreicht) - das kann auf affirmative, subversive und viele andere Arten geschehen.

2) Theorie ist für MarxistInnen keine bloße Reflexion über Sachverhalte, sondern immer mit der Frage nach praktischer Veränderung (also Politik) verbunden. Auch Literaturtheorie ist in diesem Sinne nicht auf ihren Gegenstand beschränkt, sondern sucht vom Text aus tiefer in die Gesellschaft und ihre Strukturen vorzudringen und Strategien zu entwickeln, diese zu verändern.

3) In der marxistischen Theorie geht es oft um Ästhetik. Dieses Gebiet ist ein wenig aus der Mode gekommen, früher gab es tolle Bücher darüber (ein gewisser Herr Hegel schrieb da mal eines) und Professuren, die sich ausschließlich damit beschäftigten. MarxistInnen machen sich oft Gedanken über Ästhetik, weil sie die materielle Dimension des gesamten Vorganges mit einschließt: Ein Objekt wird SINNLICH (gr. aisthesis=sinnliche Wahrnehmung), d.h. körperlich, wahrgenommen - wie Terry Eagleton schreibt ist Ästhetik per se materialistisch. Literatur ist ein Spezialfall dieses weiter gefaßten Gebiets.

4) MarxistInnen sind sich nicht untereinander einig. Die Texte von Lukács, die viele von Euch gelesen haben, waren und sind höchst umstritten - die einen werfen ihnen Idealismus vor, die anderen mangelnde Parteitreue, wieder andere zuviel Parteitreue. Lukács zählt man gemeinhin zum idealistisch-historistischen Marxismus, es gibt aber auch strukturale , feministische, psychoanalytisch inspirierte usw. MarxistInnen.

5) Materialistische Literaturtheorie ist normalerweise keine Texttheorie. Außer im Formalismus bzw. Strukturalismus entwickelt sie nie Leseverfahren für Texte. Meist werden Texte genau gelesen und in ihrem Kontext betrachtet. Daher lässt sie sich gut mit textzentrierten Theorien kombinieren, die eine Art Werkzeugkasten zur Verfügung stellen.

6) Nun die Lösung: Jonathan Culler verengt Marxismus in seinem Buch nicht umsonst - er stellt nur Althusser dar, der wiederum war Lehrer von Derrida (Dekonstruktion). Und Derrida, die Dekonstruktion und der Poststrukturalismus stehen Culler sehr nahe. Althusser und Derrida ähneln sich in ihrem Subjektbegriff stark, während Althusser dem Subjekt eine gänzlich andere Rolle zuschreibt als der traditionelle Marxismus (für Althusser ist das Subjekt ein instabiles, das sich erst durch Anrufung von ideologischen Apparaten konstituiert und stets vom Zusammenbruch bedroht ist). Was für Probleme das mit sich bringt werden wir im Zusammenhang mit Dekonstruktion betrachten.

 

 

Für morgen haben wir uns Bourdieu vorgenommen.

Dabei werden wir uns mit folgenden Fragen beschäftigen:

*In welchem Verhältnis steht Bourdieu zur Materialistischen Theorie ?

*Wie konzeptualisiert Bourdieu Literatur ?

*Welche Rolle schreibt er Theorie zu ?

*Wie ist das Verhältnis von Text und Kontext in seiner Theorie - was sagt uns ein Text über die Gesellschaft (er ist ja Soziologe...) ? Und wieso ?

*Wie könnte die Theorie angewendet werden ?

 

Infos und brauchbare Links zu Bourdieu findet Ihr unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Bourdieu

 

 

Ich freue mich schon auf Euer Kommen,

lieben Gruss

 

Timon

 

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