Späte Gerechtigkeit für Zivildiener ?

Seit Jahren kämpfen Zivildiener darum, für ihre Arbeit angemessen verpflegt zu werden. Viele haben zu niedrige Angebote der Einrichtungen angenommen, eine Handvoll Zivis hat nun beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingereicht. Der Kampf geht in die letzte Runde.

Immer wieder war seit 2001 vom Kampf aktiver und ehemaliger Zivildiener um gerechte Verpflegung zu hören. Was für Medien und Politik nur ein Saisonthema darstellt, ist für die Betroffenen eine Existenzfrage. Reichen 6 € am Tag, um sich als Schwerarbeiter zu ernähren? Reichen 13,6 €?

Was ist angemessen? Gesetzlich ist seit 2001 eine „angemessene Verpflegung“ vorgeschrieben, die meisten Einrichtungen speisten ihre Zivis mit 6 € pro Tag ab. Der Verfassungsgerichtshof hatte jedoch zuletzt 2005 festgestellt, dass – rückwirkend – ein Richtsatz von 13,6 € anzunehmen sei. Das Bundesministerium für Inneres [BMI] erließ daraufhin eine Verordnung, die ein diffuses Abschlagssystem von diesem Betrag vorsieht. Für minderschwere Arbeit, gleichbleibenden Dienstort und eine vorhandene Kochgelegenheit sollten Zivildiener weniger Geld bekommen. Prof. Bruno Binder, Verwaltungsrechtler an der Uni Linz, beschreibt das System als „wirr“ und „auf obskure Einzelheiten“ gestützt.

Viele Zivildiener haben keine Einigung mit den Einrichtungen erzielt und kämpfen sich durch Verfahren mit der Zivildienstserviceagentur und dem BMI, in denen Tagessätze festgestellt werden. Selten jedoch bringen diese Bescheide die erhoffte Gerechtigkeit: Die Verfahren dauern lange, Aussagen der Zivis wird kein Glauben geschenkt und ihre Argumente werden ignoriert. Prof. Binder bringt das Problem auf den Punkt: „Es ist kein Wunder, wenn bei der Masse der Fälle ZISA und BMI überfordert sind. Entsprechend schauen die Bescheide aus. Ich glaube, dass kaum ein Bescheid den rechtsstaatlichen Regeln des Verwaltungsverfahrens entspricht.“

Eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof [VwGH] gegen diese Bescheide einzubringen wagen dennoch die Wenigsten. Das stellt ein grundsätzliches rechtsstaatliches Problem dar, wie Gerald Gmachmeir, Sachbearbeiter für Zivildienst im Sozialreferat der ÖH Uni Linz, deutlich macht: Können es sich Betroffene überhaupt leisten, um ihr Recht zu kämpfen? Das Kostenrisiko für eine Beschwerde liegt im Falle des Verlierens zwischen 400 € und 2000 €. „In einem Fall z.B. ging es um nur ca. 100 €. Nach meiner Einschätzung waren die Chancen beim VwGH zu gewinnen sehr gut – aber 1.400 € Risiko plus Zeit und Nerven, um dann 100 € zu bekommen? Der Betroffene hat auf die VwGH-Beschwerde verzichtet.“

Je höher es den Instanzenzug hinaufgeht desto weniger Zivildiener können noch Zeit und Geld für die Verfahren aufbringen (können). Die Zahlen, die Gmachmeir angibt, bestätigen das: Von der Verpflegungsgeldfrage waren ca. 40.000-50.000 Zivis betroffen, etwa die Hälfte nahm die (oft zu niedrigen) Angebote der Einrichtungen an. Bis zum BMI haben sich nur noch 1000-2000 Zivis hochgekämpft. Beim VwGH sind letztlich bisher etwa 10 Beschwerden angekommen, einige Dutzend Zivis haben um Verfahrenshilfe angesucht.

Verwaltungsgerichtshof…und dann ? Die Frage ist nun, wie der VwGH die Verfahren handhaben wird. Jeden Bescheid einzeln zu untersuchen wäre problematisch. „Wenn der Verwaltungsgerichtshof die Verfahrensvorschriften in aller Härte judiziert, ist das Gesetz nicht vollziehbar,“ erklärt Prof. Binder. Für die gerechte Vollziehung müssten Sachverständige beigezogen werden, die Kosten würden explodieren und auch in Zukunft müsste jeder Einzelfall durch ein langwieriges und teures Verfahren geklärt werden. Daher erhofft sich Gmachmeir „eine Grundsatzentscheidung, denn nur dann haben auch die anderen Ex-Zivis und die aktuellen und künftigen Zivis was davon . Eine Bescheidaufhebung wegen irgendeines einzelnen Verfahrensfehlers hilft da wenig, weder den Zivis noch den Behörden.“ Eine solche Grundsatzentscheidung würde sich nicht auf Verfahrensfehler  konzentrieren, sondern unabhängig von einzelnen Fällen die Zulässigkeit der Abschläge klären. Es bleibt, wie Prof. Binder sagt, die Hoffnung „auf Vernunft in der Politik – und auf die Wiederkehr des Anstands.“ Denn: „Dass der Staat unseren erwachsenen Kindern Pflichtarbeit abverlangt, wenn sie keinen Militärdienst leisten, ist nachvollziehbar. Dass der Staat dann aber ihre Ernährung nicht sicherstellt, zeigt, dass unsere Kinder in die Hand ethikfreier Technokraten geraten sind. Und das schon seit Jahren.“

Timon Jakli studiert Germanistik und Soziologie in Wien

Weblinks:
www.zivildienst.at
www.ziviforum.com
www.zivildienstverwaltung.at

(veröffentlicht in PROGRESS 5/07, S. 16)

Timon
Spracharbeiter. Kommunikator. Sprecher. Trainer. Historiker. Leidenschaftlicher Koch. Foodie.